Skip to main content

Luxusuhren und Zubehör im großen Marktcheck

Tödliche Uhren: Die Geschichte der Radium Girls

Die Geschichte der Radium Girls

Die Geschichte der Radium Girls

Normalerweise behandeln wir in unserem Magazin schöne Dinge: Luxuriöse Zeitmesser, anspruchsvolle Uhrmacherkunst und interessante Hintergrundinfos. Dabei gibt es etwa um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts eine dunkle Episode in der Geschichte der Armbanduhren. Diese hängt zusammen mit einem Leuchtmittel, das insbesondere für den militärischen Einsatz unabdingbar war und damals als Allzweckwaffe für sämtliche Lebensbereiche diente: Radium.

Das radioaktive Isotop Radium strahlt sehr stark und die Halbwertszeit kann je nach Isotop bis zu über 1.600 Jahre betragen. Weil Radium stark radioaktiv ist, strahlt es kontinuierlich von selbst und gibt Licht ab, sodass dieser Stoff für die Verwendung als Leuchtmittel für Uhren optimal schien. Weil Radium erst 1898 entdeckt worden war, wusste man noch nicht um die tödliche Wirkung der Strahlung und versetzte sogar Trinkwasser damit, das als Heilwasser verkauft wurde.

In Zusammenhang mit der Einführung von Radium als Leuchtmittel für Uhren stehen zahlreiche Todesfälle aus den USA. Diese Todesfälle gehen auf Fabrikarbeiterinnen zurück, die das radioaktive Leuchtmittel auf die Zifferblätter malen mussten. Weil es keine Druckverfahren gab, war das Bemalen von Zifferblättern und Zeigern per Hand nötig. In diesem Beitrag zeigen wir die einzigartige und tragische Geschichte dieser Fabrikarbeiterinnen, den sogenannten „Radium Girls“.

Der Einführung von Radium als Leuchtmittel

Radium-Leuchtmittel für Uhren

Radium-Leuchtmittel für Uhren

Als 1898 das Radium von Marie Curie entdeckt wurde, war sofort klar, dass die Strahlung zahlreiche neue Anwendungsfelder in Wissenschaft und Industrie einnehmen würde. Nur kurz darauf, nämlich kurz vor Beginn des ersten Weltkrieges, waren die US Streitkräfte auf der Suche nach Zeitmessern und Bordinstrumenten, die auch im Dunklen gut ablesbar waren. Weil noch keine elektronische Navigation von Flugzeugen möglich war, mussten sich die Piloten auf die analogen Bordinstrumente verlassen können – allen voran der Borduhr.

Der amerikanische Konzern „United States Radium Corporation“ war zu Zeiten des ersten Weltkriegs der größte Hersteller von Leuchtfarbe auf Radiumbasis. Schätzungsweise vier Millionen Uhren mit Radium als Leuchtmittel wurden alleine im Jahr 1920 produziert. Die Leuchtfarbe mit dem Markennamen „Undark“ wurde in den USA regelmäßig für militärische Einsatzinstrumente genutzt, aber auch zivile Armbanduhren und Taschenuhren wurden zum Teil mit radioaktiver Leuchtmasse ausgestattet.

Weil Radium im Vergleich zu modernen Leuchtmitteln von selbst strahlt, müssen die Instrumente und Uhren vorher keiner natürlichen Lichtstrahlung ausgesetzt werden. Auch die lange Halbwertszeit von Radium sorgte dafür, dass die Uhren lange und zuverlässig strahlten und entsprechend gut bei Dunkelheit ablesbar waren. Dabei strahlt nicht das Radium selbst, sondern die radioaktive Strahlung ionisiert Atome anderer Elemente.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Zeiger und Zifferblätter mit Radium Leuchtmasse

Zifferblatt und Zeiger mit Radium

Zifferblatt und Zeiger mit Radium

Neben dem berühmten Radiumwasser (genannt Radithor) gab es Zahnpasta und Kekse mit Radium – aber vor allem Zeiger und Zifferblätter. Die radioaktive Farbe wurde mit Hilfe von Pinseln auf das Zifferblatt und die Zeiger aufgetragen. Moderne Fertigungsmethoden in Form von maschineller Produktion waren zu Beginn des 20. Jahrhundert kaum bis gar nicht verfügbar. Die filigranen Zeiger und Indizes konnten nur mit Geduld und künstlerischem Talent präzise bestrichen werden. Entsprechend wurden häufig Frauen von den Produzenten eingestellt.

Wie es in dieser Zeit üblich war, wurden nur wenige Teile der Uhren von den Uhrenherstellern selbst gefertigt. Die Werke, Zifferblätter, Zeiger, Gehäuse und mehr wurden teils von unterschiedlichen Zulieferern bezogen. Die US Radium Corporation war der größte Lieferant von leuchtenden Zifferblättern und Zeigern in den gesamten USA. Um mit den feinen Pinseln präzise malen zu können, mussten die Borsten der Pinsel immer wieder angespitzt, bzw. mit dem Mund feingezogen werden.

Als Folge daraus nahmen die Arbeiterinnen in den Fabriken der Zifferblatthersteller über Jahre hinweg unglaublich große Mengen an Radium auf. Während in anderen Produkten wie Wasser oder Zahnpasta nur Spuren von Radium enthalten war, musste die Zifferblattfarbe sehr hohe Mengen des radioaktiven Materials enthalten.

Der schreckliche Tod der Radium Girls

Tod der Radium Girls

Tod der Radium Girls

Die Arbeiterinnen erkrankten irgendwann allesamt an der Strahlenvergiftung. Dabei ist eine häufige Folge ein großer Tumor am Unterkiefer, sowie schwere Schäden des Knochengerüsts. Das hat einen einfachen Grund: der Körper hält das Radium für Calcium und transportiert es direkt in die Knochen. Dort lagert es sich ab und zerstört die körpereigenen Zellen. Der Fall beginnt zunächst langsam und beschleunigt sich dann enorm.

Noch bevor die tragischen Todesfälle bekannt wurden, nannte man die Radium Girls auch „Ghost Girls“. Das liegt daran, dass diese so hohen Dosen an Radium-Leuchtmittel aufgenommen hatten, dass sie tatsächlich im Dunklen etwas leuchteten. Spätestens mit dem Bekanntwerden der gesundheitlichen Probleme der ersten Arbeiterin, Mollie Maggia, nahm das Schicksal jedoch seinen Lauf.

Amelia „Mollie“ Maggia beklagte sich zunächst über starke Zahnschmerzen, worauf hin ihr mehrere Zähne gezogen wurden. Nach kurzer Zeit verlor sie fast alle ihre Zähne. Bei einer Zahnarztbehandlung zerbracht schließlich ihr Unterkiefer nach einer leichten Berührung durch ihren Zahnarzt. Nur vier Monate später starb Mollie Maggia, deren Tod unmittelbar danach zunächst auf eine Syphilis-Erkrankung zurückgeführt wurde.

Als man den Fehler wenig später bemerkte und ihre Leichte exhumierte, leuchtete ihr kompletter Körper grünlich. Später erlitten auch weitere Arbeiterinnen in den Zifferblattfabriken ähnliche Erkrankungen und verstarben qualvoll und langsam.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Nachwirkungen, Aufarbeitung und moderne Leuchtmittel

Moderner Strahlenschutz

Moderner Strahlenschutz

Nachdem mehrere Arbeiterinnen in New Jersey qualvoll verstarben, setzte man eine unabhängige Untersuchungskommission ein. Diese konnte die gesundheitlichen Schäden der Frauen eindeutig auf das verwendete Radium-Leuchtmittel zurückführen. Diese Ergebnisse wurden später in einer weiteren Studie, ebenfalls beauftragt von der US Radium Corp., bestritten. Im Jahr 1927 sagten dann sechs Fabrikarbeiterinnen vor Gericht gegen ihren Arbeitgeber aus.

Weil die Radium Girls auf den Titelseiten der Zeitungen landeten, konnte man die negativen Auswirkungen von Radium nicht mehr länger leugnen. Obwohl einige Arbeiterinnen von ihrem Arbeitgeber eine Entschädigung erhalten hatten, traf dies nicht auf alle Frauen in den Fabriken zu. Dennoch war dies der erste Fall weltweit, dass ein Arbeitgeber für die Gesundheit seiner Mitarbeiter haftbar gemacht worden war.

Einen ebenfalls entscheidenden Schritt zur Aufklärung über die Gefahr von Radium machte der Industriellensohn und Sportler Eben Byers – mit seinem Tod. Nachdem er nach einer leichten Verletzung von seinem Arzt die Einnahme von Radiumwasser („Radithor“) verschrieben bekommen hatte, trank er über Jahre hinweg mehrere tausend Liter davon. Er starb einen qualvollen Tod, da sein Körper sich langsam zersetzte und sein Unterkiefer vollkommen verschwand. Auf Grund seiner Popularität konnte man die negativen Auswirkungen von Radium auf die Gesundheit nicht mehr leugnen.

Bis heute ist kaum bekannt, wie viele Frauen tatsächlich durch die Folgen ihrer Arbeit mit radioaktiver Zifferblattfarbe zu Tode kamen. Die Zahl bewegt sich aber wohl in einem niedrigen bis mittleren dreistelligen Bereich. Als Folge der Geschichte der „Radium Girls“ wurden strenge Grenzen und Sicherheitsmaßnahmen für den Umgang mit Radium, sowie mit radioaktiven Stoffen allgemein eingeführt.


Keine Kommentare vorhanden


Du hast eine Frage oder eine Meinung zum Artikel? Teile sie mit uns!

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *